Kommentar zur Bundestagssitzung vom 21.2. zur Novelle des Atomgesetzes (AtG)
Brennstäbe wachsen im Kanzleramt auf Bäumen
Wie Dr. Nüßlein (CDU/CSU) zum Ausdruck brachte bräuchten wir die Atomkraft, um unabhängiger vom russischen Gas zu werden. Leider hat Nüßlein dabei vergessen, dass wir in Deutschland alle Brennstäbe für die AKWs importieren – auch aus Russland. Die Karte der Versorgungssicherheit hier zu spielen ist…
Auch Nüßleins Aussage zum AtG: „wenn man gutsinnig ist“ kann man die Rückholung mit der Novelle ansinnen – das ist mehr als dürftig. Wenn wir gutsinnig wären kämen wir ohne Gesetze aus. Die 10 Gebote geben die Leitlinie, sich daran zu halten wäre genügend. Wenn Nüßlein also Gesetze für überflüssig hält, die Aufgabe der Legislative, die des Deutschen Bundestages – was hat er dann da zu suchen?
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Karikatur: E. Schröder |
Mehr Fragen aufwerfen als Antworten geben
– der Referentenentwurf zur 10. Atomgesetznovelle
Anstelle das Forschungsbergwerk Asse II unter das Atomgesetz (AtG) zu stellen wird erst das Atomgesetz der Asse angepasst und danach die Asse nach dem neuen Atomgesetz behandelt. Dieses Ziel ist mit der Klage von Irmela Wrede auf die Anwendung des Atomrechtes für die Asse nicht verfolgt worden. In der von der Bundesregierung eingebrachten 10. Novelle des Atomgesetztes, die am 21. Januar in erster Lesung im Bundestag behandelt wird, ist in der Zielsetzung zu lesen, dass der Atommüll von 1967 bis 1978 „mit dem Ziel der endgültigen Beseitigung eingelagert“ wurde. Damit ist zum ersten Mal ganz offiziell die Rede davon, dass die Asse seit 1965 als Endlager gedacht war und entsprechend betrieben wurde – nur ohne die notwendigen Genehmigungen. Es wurden nie entsprechende Anträge für ein solches Unterfangen gestellt – sie wären auch aussichtslos da ein belastbarer Langzeitsicherheitsnachweis nicht zu führen ist. Dieses räumt selbst der alte Betreiber (Helmholtzzentrum – HMGU) und der neue Betreiber (Bundesamt für Strahlenschutz – BfS) ein: „egal wie mit dem Atommüll verfahren wird, eine radioaktive Belastung der Bevölkerung ist unausweichlich. Es hätte nie zur Einlagerung kommen dürfen.“
Dieser Sachverhalt der „endgültigen Beseitigung“ hat von der Bundesregierung nachgewiesen zu werden. Oder der Passus ist zu konkretisieren beziehungsweise zu streichen.
Staatsseckretär Matthias Machnig (Bundesumweltministeriums) hat sich zu der "endgültigen Beseitigung" auf die Frage von MdB Winfried Herrmann (Grüne) geäußert.
Drucksache des Bundestages 16/11611 -
Frage 26/Seite23
Doch die Novelle wirft eine Menge weiterer Fragen und Ungenauigkeiten auf, die der Bundesregierung und ihrer nachgeordneten Behörde (BfS) einen immensen Handlungsspielraum überlassen bevor sie mit Gerichtsverfahren von Seiten der Bevölkerung und Umweltverbänden konkretisiert werden können. Des weiteren wird hier eine Handschrift deutlich, die Versucht, die alten Machenschaften nachträglich zu legalisieren – und aus welchem Ministerium diese stammen möge überlassen wie an dieser Stelle dem eigenen logischen Denken einer/eines jeden.
Wozu solches Flickwerk? Weshalb diese Ungenauigkeiten? Mangelnder Sachverstand oder Taktik?
So wird zum Beispiel der Begriff der „Stilllegung eines Endlagers“ neu eingeführt. Der Begriff ist schon im Umfeld von Atomkraftwerken definiert und gilt für die Zeit nach der Abschaltung. Wie er aber auf ein Endlager anzuwenden ist wird in der AtG-Novelle nicht näher ausgeführt. Als die beiden extremen Varianten sind denkbar:
- nach der Einlagerung des letzten Fasses Atommüll beginnt die Stilllegung – also 1978
- wenn kein Fass Atommüll mehr eingelagert werden kann gilt das Bergwerk als Stillgelegt – sprich: das gießen der Deckel auf den Schächte wäre die Stilllegung
Karikatur: E. Schröder |
Warum ist dieses so interessant? Da in der AtG-Novelle für den Weiterbetrieb auf ein Planfeststellungsverfahren ausdrücklich verzichtet wird. Dieses ist nur für die Stilllegung notwendig. Und eben dieses Planfeststellungsverfahren beinhaltet die Beteiligung von Umweltverbänden und der Bevölkerung. Schon in Morsleben hat die damalige Bundesumweltministerin Frau Dr. Merkel versucht, sich um ein Planfeststellungsverfahren zu drücken – dieses Vorhaben wurde von den Gerichten aufgrund der Klagen von Umweltverbänden kassiert. Wieso wird hier erneut dieser Weg eingeschlagen wenn zum Einen die Lernfähigkeit der beteiligten PolitikerInnen und zum Anderen kein Spiel auf Zeit angenommen werden soll?
Auch der Passus „Die Anlage ist unverzüglich stillzulegen.“ ist eher nichtssagend und verschwommen als konkretisierend. Ist hiermit einer Prüfung verschiedener Möglichkeiten der Schließung noch durchführbar? Mit dem Ziel, das „kleinste Übel“ im Umgang mit dem Atommüll in der Asse noch zu identifizieren. Oder soll dafür keine Zeit verbleiben und die Anlage anhand eines Konzeptes „order per Mufti“ geschlossen werden? Vergleiche die fehlende Definition des Begriffes „Stilllegung“ und damit die Notwendigkeit der Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens mit dieser Ungenauigkeit. Hier werden Synergien deutlich.
Mit diesen wenigen Beispielen soll angedeutet gezeigt werden, dass diese Novelle mehr Fragen bringt als Antworten.
Wir fordern das AtG so auf die Asse anzuwenden wie es ist. Sollten Änderungen notwendig sein sind diese klar und präzise darzulegen. Ein Lex Asse – ein Gesetz speziell an eine Gegebenheit anzupassen anstatt allgemeingültige Gesetzt zu erlassen ist in unserem Rechtssystem eine Krücke. Bewusst haben die Gründungsväter der Bundesrepublik den Weg der Allgemeingültigkeit eingeschlagen. Und wenn es wirklich notwendig wäre ihn zu verlassen, dann um der Bevölkerung mehr Rechte einzuräumen, ein Verfahren sicherer zu machen und nicht, um Rechte zu beschneiden. Dieses Endlager kann nicht „durch die kalte Küche“ mit dem Verzicht auf die Sicherheit der Region vor radioaktiver Belastung durchgepeitscht werden. Von einer „Vorbildfunktion“ für den Umgang mit Atommüll sehen wir hier einmal ab.
Die Fraktionen im Deutschen Bundestag sowie die Mitglieder des Bundesrates sollten noch einmal in sich gehen und ihre Position zu diesem Entwurf überdenken.
Hintergrund-Material aus dem Bundestag
§ 57b Betrieb und Stilllegung der Schachtanlage Asse II
(1) Für den Betrieb und die Stilllegung der Schachtanlage Asse II gelten die für die Anlagen des Bundes nach § 9a Abs. 3 geltenden Vorschriften. Die Anlage ist unverzüglich stillzulegen. Die Kosten für den Weiterbetrieb und die Stilllegung trägt der Bund. Für den Weiterbetrieb bis zur Stilllegung bedarf es keiner Planfeststellung nach § 9b. Bis zur Bestandskraft eines Planfeststellungsbeschlusses zur Stilllegung bedarf der Umgang mit radioaktiven Stoffen einer Genehmigung nach den Vorschriften dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen; § 19 in Verbindung mit § 24 findet insoweit keine Anwendung.
(2) Die Erteilung von Genehmigungen zur Annahme von radioaktiven Abfällen und deren Einlagerung zum Zweck der Endlagerung ist bis zum Erlass des Planfeststellungsbeschlusses für die Stilllegung der Schachtanlage Asse II unzulässig.
Link zum Atomgesetz
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